Auch 35 Jahre nach der Wiedervereinigung verdienen Beschäftigte in Ostdeutschland im Schnitt noch immer deutlich weniger als im Westen. Laut einer aktuellen Analyse des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung betrug der Abstand bei den Bruttomonatsverdiensten 2024 rund 17 Prozent: Vollzeitbeschäftigte im Westen kamen im Durchschnitt auf 4.810 Euro, im Osten auf 3.973 Euro.
„Das soziale und wirtschaftliche Ungleichgewicht zwischen Ost und West ist eine Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt“, warnt der DGB-Bezirksvorsitzende Michael Rudolph. „Gleichzeitig erleben wir durch die Transformation der Industrie und steigende Energiepreise die reale Gefahr einer Deindustrialisierung. Wer die Demokratie und den sozialen Frieden in Deutschland sichern will, muss dafür sorgen, dass gute Arbeitsplätze erhalten bleiben, Tarifverträge gelten und faire Löhne gezahlt werden.
Mit Blick auf die geplante Errichtung eines neuen Sondervermögens „Infrastruktur und Klimaneutralität“ fordert der DGB, die Mittel konsequent für den sozial gerechten Umbau der Industrie einzusetzen. „Hierzu benötigen wir eine klare Industriepolitische Strategie und Mechanismen, die sicherstellen, dass Investitionsmittel aus den Bundesprogrammen in Ost- und Westdeutschland gleichermaßen ankommen.“
Während der gesetzliche Mindestlohn die untersten Einkommen weitgehend angeglichen hat, bleibt die Tarifbindung für die Beschäftigten im Osten mit rund 42 Prozent deutlich niedriger als im Westen (50,0 Prozent). Wo jedoch Tarifverträge gelten, sind die Löhne fast auf Westniveau. Renate Sternatz, stellvertretende Vorsitzende des DGB Hessen-Thüringen betont, dass fehlende Tarifbindung und Niedriglöhne dazu führen, dass viele Beschäftigte trotz Vollzeitarbeit auf Bürgergeld angewiesen sind: „Das ist weder gerecht noch volkswirtschaftlich sinnvoll. Wer arbeitet, muss von seinem Lohn leben können – ohne Aufstockung durch den Staat. Tarifverträge sorgen genau dafür.“ Sternatz weiter: „Es darf nicht sein, dass öffentliche Gelder Lohndumping finanzieren. Und es darf nicht sein, dass ganze Regionen in Ostdeutschland durch den Verlust von Industriearbeitsplätzen abgehängt werden“, so Sternatz abschließend.